Aus dem Krieg in den Krieg?

Wir führten ein Gespräch an einem normalen Tag in einem Eiscafe im Nürnberger Süden. Ich lernte Ajmal aus Afghanistan vor etwa zwei Jahren in einem meiner Songprojekte kennen. Damals wohnte er in einer sog. Clearingstelle. Ich lernte ihn schätzen und achten. Von Anfang an war er interessiert, aufgeschlossen und suchte den Kontakt. Als unbegleiteter Minderjähriger war er nach Deutschland geflohen, wie so viele andere. Ich sitze ihm gegenüber und höre ihm zu. Anfangs mussten wir noch um einzelne deutsche Wörter ringen. Mittlerweile kann ich ihn gut verstehen und muss nur noch gelegentlich nachfragen, denn sein Deutsch ist flüssiger und verständlicher geworden. Immer wieder haben wir uns in den Jahren getroffen. Er war dabei, als sich SchülerInnen einer Realschule mit den Jungs aus der benachbarten Clearingstelle trafen im gemeinsamen Songprojekt. Seine interessierte Art und sein Drang etwas lernen zu wollen, beeindruckten mich von Anfang an. Er ist eine Bereicherung für mein Leben geworden.
Ich nehme emotional teil, als er mir erzählt, wie schwer und manchmal unerträglich es ist, wenn ihn das Heimweh überkommt. »Ich würde am Abend so gerne heimkommen, meine Schwester, meinen Bruder und meine Eltern in den Arm nehmen. Sie mussten mittlerweile aus Afghanistan in den Iran fliehen. Manchmal, wenn ich zu traurig werde, gehe ich spazieren, bleibe irgendwo stehen und versuche mich wieder in den Griff zu bekommen«.
Ajmal  ist ein Mensch mit einer Lebensgeschichte, mit Träumen und Wünschen. Sein Leben wurde jäh zerrissen, als er aus Afghanistan fortgehen musste, in das für ihn so fremde Deutschland. Mittlerweile hat er es einigermaßen geschafft, Fuß zu fassen. Ich habe viel von ihm lernen dürfen, denn: Ich bin der Lernende. Ich habe nie aus meiner Heimat flüchten müssen.  
Vor etwa zwei Jahren, als Flüchtlinge wie er nach Deutschland kamen, war die Hilfsbereitschaft und die Solidarität spür und erlebbar und jetzt?
Ich habe Lieder mit Menschen wie ihm geschrieben und versucht, Kontakte herzustellen. Ich habe sie bewusst »stören« lassen, meine Wohlstandswelt. Dadurch bin ich selbst eine Art Flüchtender geworden aus (m)einer, mir manchmal fremd gewordenen Gesellschaft, als dürfe man sich gar nicht emotional berühren lassen von Menschen wie Ajmal aus Afhanistan, einem sicheren Land?
Integration ist das wichtigste für solche, die eine Bleibeperspektive haben, höre ich in so vielen (Sonntags)reden?
Was also tun? Kontaktlosigkeit? Keine Freundschaften? Keine Lieder mehr? Unsere Welt  , wie sie war absichern und die Menschen, die so viele andere und auch mich mit ihrem hier sein beschenkt haben wieder abschieben und vergessen? Einfach so, weil es das Gesetz so will?
Nachsatz: Die angeblichen Aussagen des jungen erwachsenen Flüchtlings Asef N., der aus einer Berufsschule in Nürnberg abgeschoben werden sollte, dass er zurückkommen und töten werde, will ich nicht verschweigen und kann sie, wenn sie so gefallen sind, auch nicht billigen. Wie und wann wirklich etwas gesagt worden ist, weiß ich nicht. Trotzdem - die Menschen in unsere Werte der Untastbarkeit der Würde des Menschen zu integrieren ist eine wirkliche Herausforderung. Jede Art von Fanatismus, egal aus welchem Kulturkreis muss deutlich angesprochen und darf nicht geduldet, verharmlost, weichgekocht oder entschuldigt werden. Dazu gehört der gewaltbereite religiöse Fanatismus. Als Beispiel aber auch der gewaltbereite Fanatismus im Fußball, wie geschehen beim Relegationsspiel in München (1860 München - Jahn Regensburg), als sog. Fans Sitzschalen und Stangen auf den Gästetorwart warfen und schwere Verletzungen billigend in Kauf genommen haben.

Zu meinem Songprojekt "Du bist nicht anders als ich" mit unbegl.minderj.Flüchtlingen.

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