Zwei Minuten

Meine Uhr geht zwei Minuten vor. In meiner Fantasie male ich mir aus, meiner Zeit zwei Minuten voraus zu sein. Dabei stelle ich mir vor, ich wüsste zwei Minuten mehr von meinem Leben. Zwei Minuten - hundertundzwanzig Sekunden.
Im Durchschnitt liegt der Herzschlag von Erwachsenen bei 70 Mal pro Minute, also hat mein Herz schon ca. einhundertundvierzig Schläge weiter geschlagen. Meistens nehme diese Zeitspanne im alltäglichen Leben gar nicht wahr. Was könnte mir in diesen zwei Minuten passieren? Welchen Menschen würde ich vielleicht begegnen? Wen vielleicht sogar verlieren? Welche Botschaften würden mich erreichen? Was könnte ich an neuen Erfahrungen dazugewinnen? Vielleicht ein Schlüsselerlebnis?
Wenn ich etwas erwarte, fühlen sich zwei Minuten, z.B. vor einem Geburtstag, oder zu einem Jahreswechsel hin, länger an. In der Nachspielzeit eines Fußballspiels, wenn meine Mannschaft 2:1 führt, aber noch einmal heftig unter Druck kommt, wollen sie nicht vorbeigehen diese zwei Minuten bis zum Abpfiff. Im Alltag jedoch, wenn alles funktionieren soll, rasen zwei Minuten fast unbemerkt vorbei, wenn ich beschäftigt bin mit einer Sache, in der Arbeit, oder, wenn ich wieder einmal auf der Autobahn, unterwegs bin.
 Schreibe ich einen Song, dauert er meist drei Minuten, oder auch länger. Mein Blick in die Zukunft würde also nicht einmal bis zum letzten Refrain reichen. An welcher Stelle spielte er gerade, wenn er bei zwei Minuten angekommen wäre?
In meinem Song »Weihnachten ist ein ganz normaler Tag« heißt es bei zwei Minuten: »Mach dich auf die Suche«.
 Maria und Josef waren in der Weihnachtsgeschichte auf der Suche nach einer Herberge. Auf der Flucht vor der Volkszählung des Herodes suchten sie nach einem Unterschlupf, einer Bleibe für die Nacht. Zunächst abgewiesen, fanden sie schließlich einen Platz in einem Stall. Maria brachte ihren Sohn Jesus zur Welt. Er kommt in diese Welt - mitten ins Leben und, so stelle ich es mir vor, in die nächsten zwei Minuten meines Alltags hinein.
»Weihnachten ist ein ganz normaler Tag« - dieser Song ist in einem meiner Songprojekte entstanden und ich kann mich noch genau daran erinnern, dass ich Kaspar, nicht einen der drei Könige, sondern einen der jugendlichen Teilnehmer fragte: »Was bedeutet Dir Weihnachten?« Er antwortete mir, dass er meistens Weihnachtskarten und ein Kuvert mit Geld darin bekäme, diese Dinge aber ohne Bedeutung für ihn wären. Er suche nach etwas anderem. Nach etwas, das mit Geld nicht zu bezahlen ist.
Was bestimmt meine nächsten zwei Minuten? Ist es die Suche nach Liebe, weil ich glauben kann, dass der Retter dieser Welt nicht nur ein Relikt irgendeines der unzähligen Weihnachtslieder geblieben ist, sondern, dass er die göttliche, Mensch gewordene Liebe verkörpert? Wäre Weihnachten dann nicht ein ganz normaler und gleichzeitig ein wunderbarer und besonderer Tag für mich und würden dadurch die folgenden zwei Minuten meines Lebens nicht zwei sinnvolle?
          In diesem Sinne wünsche ich Euch auf unserem gemeinsamen Weg:
                                    * * * FROHE WEIHNACHTEN * * *
 

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